The Making Of - ANTIPHON
(*English version below)
Künstler: Christian Dörge.
Album-Titel: Antiphon.
Format: Album-CD.
Aufgenommen von Juli bis August 1995.
Tonstudio: Klangfang-Productions Recording-Studio, Basel (Schweiz).
Besetzung: Christian Dörge (vocals, piano, synthesizers, programmings),
Mala Jayita Mukherjee (spoken words), Andy Hägler (guitars), Patrick Sayer (programming).
Produziert von: Christian Dörge.
Toningenieure: Patrick Sayer und Thomas Baumgartner.
Abgemischt von: Christian Dörge.
Veröffentlicht: Januar 1996.
Plattenfirma: Derrière-Records/Black October-Records/SPV.
Tracks:
1. Prolog
2. Stilleben
3. Zerbrechlich
4. Französische Filmszenen I
5. Im Café
6. Französische Filmszenen II
7. Imperialistische Logik
8. An der Mole
9. Unsichtbare Grenzen
10. Tristana/Furie des Verschwindens
11. Mystische Rosenmadonna (1995)
12. Antiphon
Sommer 1995, und ich war guter Dinge: Seit der Veröffentlichung meines zweiten Albums Lycia (1993) hatte ich musikalisch eine vollständige Transformation vollzogen, mein Musik-Projekt SYRIA gegründet, zwei weitere immens erfolgreiche Alben – Ozymandias Of Egypt und Marrakesh Night Market (beide 1995) – veröffentlicht und mit den Songs Giving Ground und Visions Of The Sea veritable Hits gelandet: Ich hatte meiner Karriere als Schriftsteller und Dramatiker eine Karriere als Musiker hinzugefügt. Es konnte also gar nicht besser für mich laufen.
Während ich mir bereits Gedanken über ein drittes SYRIA-Album machte, kam meine Plattenfirma mit einem für mich unerwarteten Anliegen auf mich zu: Wie wär's, wurde behutsam angefragt, wenn du ein weiteres deutschsprachiges Album aufnehmen würdest?
Dieser Vorschlag war – Hand aufs Herz – grundsätzlich keineswegs unvernünftig, denn zu dieser Zeit war deutschsprachige Düster-Musik das am heißesten glühende Stück Eisen im Gothic-Ofen. Problem: Nichts lag mir ferner, als ein solches Album zu schreiben und zu produzieren, denn es hatte mich allergrößte Mühe gekostet, mich vom Lycia-Nimbus zu emanzipieren; demgemäß wollte ich es vermeiden, künstlerisch einen oder gar mehrere Schritte rückwärts zu gehen.
Allein: Meine Plattenfirma lockte mich mit einer stattlichen Summe Geldes und vor allem mit der Zusicherung auf vollständige künstlerische Freiheit/Kontrolle für mich. Ich versprach also, ebenso eingehend wie ernsthaft über ein solches Projekt nachzudenken.
Was soll ich sagen? Je intensiver ich in den kommenden Wochen überlegte, welche Gestalt ein solches Album im Jahr 1995 für mich annehmen würde, umso interessanter wurde die ganze Sache (zumindest für mich). Am Anfang jeglicher Überlegung stand: Das neue Album – welches mittlerweile den Titel Antiphon trug – sollte vollkommen anders werden als Lycia: weniger pathetisch, weniger Gothic-mäßig, kein 'Szene-Album'. Mir schwebte ein elegantes Nouvelle-Vague-Album vor, textlich surreal, musikalisch offener und vielseitiger (wie es schon bei den beiden SYRIA-Alben der Fall war).
Schließlich nahm ich eine Handvoll Demos in meinem Studio in Burgwald/Deutschland auf. Ich schrieb die Songs zunächst ausdrücklich für meine Stimme, und es existieren Demo-Versionen von Zerbrechlich, Unsichtbare Grenzen und Im Café, auf denen ich entsprechend zu hören bin.
Dennoch – ich kann mich nicht mehr erinnern, aus welchem Grund – änderte ich meine Meinung hinsichtlich der Vocals: Als schließlich im Juli 1995 die Studio-Aufnahmen begannen (wieder im Klangfang-Productions Recording-Studio in Basel/Schweiz), beschloss ich – obwohl ich mich bei SYRIA als Lead-Sänger etabliert hatte –, das Mikrophon für die spoken words Mala Jayita Mukherjee zu überlassen. Mit Mala hatte ich bereits für das SYRIA-Album Marrakesh Night Market die Vocals des Songs Spectrum No. 1 aufgenommen, und ich liebte ihre Stimme (und liebe sie immer noch). Ich selbst wollte nur den Gesang für Mystische Rosenmadonna (1995) beisteuern.
Der Sommer des Jahres 1995 war ein sehr, sehr heißer Sommer; gottlob war während der drei Wochen, in deren Verlauf das Album aufgenommen und abgemischt wurde, nicht allzu viel Garderobe nötig... Die Aufnahmen selbst erwiesen sich als ein hartes Stück Arbeit, aber Andy, Patrick, Mala und ich waren ein hervorragend eingespieltes Team, eine perfekt geölte Maschine, und wir ließen keine Minute ungenutzt. Die Arbeitsatmosphäre im Studio war wunderbar, hier waren tatsächlich Freunde zusammengekommen, um etwas Einzigartiges zu erschaffen, es war eine humorvolle und künstlerisch hocheffektive Zeit, für die ich allen Beteiligten bis heute zu größtem, tief empfundenen Dank verpflichtet bin.
Nach den besagten drei Wochen waren 14 Songs vollendet; zwei Songs – Atavismus des Zwielichts und Pop Art 1995 – schafften es nicht auf das Album (keine Ahnung warum – vielleicht Wachs in den Ohren?). Musikalisch schwankt Antiphon zwischen Art Rock, Dark Jazz, Trance- und Dance-Elementen und einem fernen Gothic-Echo in Gestalt der 1995er-Version von Mystische Rosenmadonna: Für diese Version verfeinerte ich die ursprüngliche Komposition (technisch) und fügte einen Instrumental-Part hinzu, um Raum zu schaffen für die virtuosen Gitarren von Andy Hägler.
Ich wurde und werde immer wieder gefragt, warum ich dieses Update von Mystische Rosenmadonna aufgenommen habe. Nun, in erster Linie wohl deshalb, weil ich Tilos Nosferatu-artigen Gesang auf der Originalversion von 1993 nicht mochte – was kein Affront gegen Tilo sondern lediglich eine (höchst subjektive) Geschmacksfrage ist. Mein Gesang indes fügt dem Song eine gewisse Selbstverständlichkeit und Unmittelbarkeit hinzu; außerdem ist die 1995er-Version klarer und 'größer' produziert, befreit von jeglichem Staub und dem Hauch des Absurden.
In vielerlei Hinsicht blickt Antiphon auf mein SYRIA-Songwriting der Jahre 1994 und 1995 zurück. Und noch wichtiger: Antiphon war ein Vorgeschmack auf die SYRIA-Dinge, die noch kommen sollten...
Antiphon wurde im Januar 1996 veröffentlicht, und erneut waren meine Promotion-Aktivitäten denkbar umfangreich. Die Kritiker waren außerordentlich begeistert, aber das Publikum schien verwirrt zu sein, denn offenkundig hatte man ein zweites Lycia erwartet – was dem kommerziellen Erfolg des Albums keinen Abbruch tat. Überdies wurde Antiphon im Laufe der Jahre zu einem echten Klassiker, und es zählt bis heute für mich zu meinen liebsten Alben.
Christian Dörge,
- München/Deutschland, im November 2022
The Making Of - ANTIPHON
Artist: Christian Dörge.
Album title: Antiphon.
Format: Album-CD.
Recorded from July to August 1995.
Recording Studio: Klangfang-Productions Recording-Studio, Basel (Schweiz).
Line-up: Christian Dörge (vocals, piano, synthesizers, programmings),
Mala Jayita Mukherjee (spoken words), Andy Hägler (guitars), Patrick Sayer (programming).
Produced by: Christian Dörge.
Sound engineers: Patrick Sayer und Thomas Baumgartner.
Mixed by: Christian Dörge.
Released: January 1996.
Record Company: Derrière-Records/Black October-Records/SPV.
Tracks:
1. Prolog
2. Stilleben
3. Zerbrechlich
4. Französische Filmszenen I
5. Im Café
6. Französische Filmszenen II
7. Imperialistische Logik
8. An der Mole
9. Unsichtbare Grenzen
10. Tristana/Furie des Verschwindens
11. Mystische Rosenmadonna (1995)
12. Antiphon
Summer 1995, and I was in good spirits: After the release of my second album Lycia (1993), I had undergone a complete transformation musically, founded my music project SYRIA, released two more immensely successful albums - Ozymandias Of Egypt and Marrakesh Night Market (both 1995) - and scored veritable hits with the songs Giving Ground and Visions Of The Sea: I had added a career as a musician to my career as a writer and dramatist. So things couldn't have gone better for me.
While I was already thinking about a third SYRIA album, my record company approached me with a request that was unexpected for me: How about, they gently asked, if you would record another German-language album?
Basically, this suggestion was - hand on heart - by no means unreasonable, because at that time German-language gloomy-doomy music was the hottest glowing piece of iron in the Gothic oven. Problem: Nothing was further from my mind than writing and producing an album of this kind, 'cause it had cost me the greatest effort to emancipate myself from the Lycia nimbus; accordingly, I wanted to avoid taking one or even several steps backwards artistically.
However: my record company lured me with a handsome sum of money and above all with the assurance of complete artistic freedom/control for me. So I promised to think about such a project as thoroughly as seriously.
What can I say? The more intensively I thought about the shape such an album would take in 1995, the more interesting the whole thing became (at least for me). At the beginning of every consideration was: the new album - which by now had the title Antiphon - should be completely different from Lycia: less pathetic, less gothic, not a 'scene album'. I had in mind an elegant Nouvelle Vague album, lyrically surreal, musically more open and versatile (as was the case with my two SYRIA albums).
Finally, I recorded a handful of demos in my studio in Burgwald/Germany. I wrote the songs explicitly for my voice at first, and demo versions of Zerbrechlich, Unsichtbare Grenzen and Im Café exist on which I can be heard accordingly.
Nevertheless - I can't remember for what reason - I changed my mind regarding the vocals: When the studio recordings finally began in July 1995 (again at Klangfang Productions Recording-Studio in Basel/Switzerland), I decided - although I had established myself as lead singer with SYRIA - to leave the microphone for the spoken words to Mala Jayita Mukherjee. I had already recorded the vocals of the song Spectrum No. 1 with Mala for the SYRIA album Marrakesh Night Market, and I loved her voice (and still do). I myself only wanted to contribute the vocals for Mystische Rosenmadonna (1995).
The summer of 1995 was a very, very hot one; thankfully, not too much wardrobe was necessary during the three weeks in the course of which the album was recorded and mixed... The recording itself proved to be a hard piece of work, but Andy, Patrick, Mala and I were an excellent team, a perfectly oiled machine, and we didn't let a minute go to waste. The working atmosphere in the studio was wonderful, this was really friends coming together to create something unique, it was a humorous and artistically highly effective time for which I owe everyone involved the greatest, heartfelt thanks to this day.
By the end of the said three weeks, 14 songs were completed; two songs - Atavismus des Zwielichts and Pop Art 1995 - didn't make it onto the album (no idea why - maybe wax in the ears?). Musically, Antiphon vacillates between art rock, dark jazz, trance and dance elements, and a distant gothic echo in the shape of the 1995 version of Mystische Rosenmadonna: for this version, I refined the original composition (technically) and added an instrumental part to make room for Andy Hägler's virtuoso guitars.
I was and I am asked again and again why I recorded this update of Mystische Rosenmadonna. Well, primarily because I didn't like Tilo's Nosferatu-like vocals on the original 1993 version - which is not an affront to Tilo but merely a (highly subjective) matter of taste. My vocals, however, add a certain naturalness and immediacy to the song; moreover, the 1995 version is clearer and 'bigger' produced, freed from any dust and the hint of the absurd.
In many ways, Antiphon looks back to my SYRIA songwriting of 1994 and 1995. And more importantly, Antiphon was a foretaste of SYRIA's things to come....
Antiphon was released in January 1996, and once again my promotional activities were conceivably extensive. The critics were extremely enthusiastic, but the public seemed to be confused, because obviously they had expected a second Lycia - which did not detract from the commercial success of the album. Moreover, Antiphon became a real classic over the years, and it is still one of my favourite albums.
Christian Dörge,
- Munich/Germany, November 2022